Bolivien: 3. Rundbrief von Deborah Fleck
Bolivien
Deborah Fleck
15.10.2025
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Liebe Leserinnen und Leser, nach meinem letzten Rundbrief, der mit dem Fest der Santísima Trinidad endete, wurde es in Bolivien plötzlich spürbar kühler.

Die oft drückende Hitze des tropischen Klimas wich frischen 15 Grad – was erst mal gar nicht so kalt klingt. Doch durch die hohe Luftfeuchtigkeit fühlt sich diese Kälte ganz anders an, als die trockene Kälte in Deutschland. So sah man in Trinidad, obwohl es mitten in den Tropen liegt, viele Menschen mit Winterjacke, Mütze und Schal.

Ein besonderes Highlight dieser „Jahreszeit“ ist die Nacht vom 23. auf den 24. Juni – San Juan, offiziell die kälteste Nacht des Jahres. Gemeinsam mit einer Freundin besuchte ich an diesem Abend eine Feria. Es gab viele Stände mit Essen, Getränken und Spielen. Besonders beliebt war ein heißes, traditionelles Getränk, mit dem Namen „Sucumbe“, das wir natürlich auch probierten, dabei handelt es sich um heiße Milch mit Singani– perfekt zum Aufwärmen in dieser kalten Nacht.

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San Juan - Sucumbe wärmt an den kältesten Tagen im Jahr

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Unser Jahrgang 2024-2025: Die Freiwilligen aus Trier und Hildesheim gemeinsam mit unseren Koordinatorinnen

Abschlussseminar in Cochabamba

Anfang Juli fand unser Abschlussseminar in Cochabamba statt. Wir starteten mit einem gemeinsamen Gebet, reflektierten die vergangenen Monate, teilten Herausforderungen und Erfolge. Gleichzeitig beschäftigten wir uns intensiv mit dem, was noch vor uns lag – wie wir die letzten Wochen unseres Dienstes sinnvoll gestalten und die anstehenden Abschiede gut vorbereiten können. Zum Abschluss erstellten wir Plakate von den Zonen, in denen wir gelebt haben – ein schöner Weg, all die Eindrücke aus der Region – die nun für 13 Monate unser Zuhause war – sichtbar zu machen.

 

Reise durch Bolivien und Peru

Während der vierwöchigen Winterferien hatte ich die Möglichkeit, verschiedene Regionen Boliviens sowie Teile Perus zu bereisen – eine Reise voller Naturwunder, kultureller Eindrücke und unvergesslicher Erlebnisse.

Unser erster Halt war der Nationalpark Toro Toro – mit Canyons, Wasserfällen und faszinierenden Felsformationen. Danach ging es zum berühmten Titicacasee, dem höchstgelegenen schiffbaren See der Erde. Neben der beeindruckenden Landschaft probierte ich dort auch die regionale Spezialität „Trucha“ (Forelle).

Darauf folgte eine Mountainbike-Tour auf dem „Camino de la Muerte“ – einer steilen, kurvigen Straße ohne Leitplanken, die einst als gefährlichste Straße der Welt bekannt war. Ein besonderes Erlebnis war auch der Besuch beim Cholita-Wrestling in El Alto. In traditioneller Tracht und mit beeindruckender Kraft treten dort indigene Frauen – die sogenannten Cholitas – in spektakulären Kämpfen gegeneinander an.

Die Mischung aus Show, Sport und kulturellem Ausdruck war faszinierend.

Nach den Erlebnissen im Hochland (Westen) führte unsere Reise uns weiter ins tropische Tiefland (Nord-Osten). Besonders beeindruckt hat mich die Pampas-Tour bei Rurrenabaque (Beni). In freier Wildbahn sahen wir Schildkröten, Affen, Capybaras, Alligatoren, rosafarbene Flussdelfine, Papageien, Tukane und Schlangen – gekrönt von einem atemberaubenden Sternenhimmel über dem Amazonasgebiet.

Zum Abschluss reisten wir nach Peru, wo wir die Rainbow Mountains und den weltberühmten Machu Picchu besuchten – ein unvergesslicher Abschluss dieser Reise.

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Magischer Moment - Sonnenuntergang über dem Titicacasee in Copacabana, ein unvergesslicher Anblick auf fast 4000 Metern Höhe

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Ein unvergessliches Naturerlebnis - Die Pflanzen- und Artenvielfalt des bolivianischen Tieflands

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Tagesbeginn in Rurrenabaque - Ein atemberaubender Sonnenaufgang im Herzen des bolivianischen Tieflands

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Farbenwunder der Natur - Die Rainbow Mountains in Peru

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Auf den Spuren der Inka - Der Machu Picchu

Zurück im Schulalltag – neue Aufgaben

Nach den erlebnisreichen Ferien begann der Schulalltag wieder, mit frischem Schwung. Während ich vor den Winterferien noch in der Inicial 1 (Vorschule) tätig war, wechselte ich nun in die Primaria. Dort begleitete ich die Kinder neben dem Englischunterricht auch im regulären Unterricht, in Fächern wie Mathematik, Sprache, Musik und Religion. Der Unterschied zur Inicial war deutlich: strukturierte Stundenpläne, fächerbezogener Unterricht und ein mehr schulisch geprägter Alltag.

Besonders gefreut hat mich, dass ich viele Kinder aus der Inicial 2, mit denen ich in der ersten Hälfte meines Freiwilligendienstes zusammengearbeitet hatte, nun in der Primaria (vglb. Grundschule) wiederzusehen. Es war schön zu sehen, wie sie sich weiterentwickelt haben. Gleichzeitig fiel mir der Abschied von den Kleineren in der Inicial 1 schwer – die Kinder und meine Kolleginnen sind mir mit der Zeit sehr ans Herz gewachsen.

Auch in der Secundaria (vglb. Mittelstufe/ Oberstufe) unterstütze ich die Lehrkraft weiterhin im Englischunterricht.

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Schule

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Begegnungsreise mit deutscher Delegation

Im Rahmen der Partnerschaft zwischen der bolivianischen Hermandad und den Bistümern Trier und Hildesheim, kam im Juli eine deutsche Delegation nach Trinidad. Während ihres Aufenthalts besuchten sie unter anderem auch das „Colegio Madre Seton“, an dem ich tätig war.

Ein besonderes kulturelles Highlight war das Konzert des „Ensamble Moxos“ in der Kathedrale von Trinidad – ein Ensemble aus San Ignacio de Moxos, dass die barocke Musik aus der Jesuitenzeit mit indigenen Klängen verbindet.

Später reisten wir gemeinsam nach San Ignacio, zum dortigen Patronatsfest des heiligen Ignacio „Ichapekene Piesta“, das sogar zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe der Menschheit zählt. Wir übernachteten beim Leiter des Ensambles, besuchten „Entradas“ und tanzten sogar selbst mit. Des Weiteren besuchten wir Ferias und erlebten traditionelle Bräuche, wie den Palo Encebao oder das Jocheo de Toros hautnah. Diese Reise war geprägt von tiefen kulturellen Eindrücken, Gemeinschaft und gegenseitigem Austausch.

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Die Moperitas - Ein lebendiger Ausdruck von kulturellem Erbe und Stolz bei der Ichapekene Piesta

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In traditionelle Tracht bei der Ichapekene Piesta in San Ignasio de Moxos gemeinsam mit der deutschen Delegation

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Ein tolles Konzert des Ensamble de Moxos - Zwischen Barockmusik und lebendiger indigener Kultur

Bicentenario – 200 Jahre Bolivien

Am 6. August 2025 feierte Bolivien sein 200-jähriges Unabhängigkeitsjubiläum – den Bicentenario. Überall im Land gab es Veranstaltungen. Die Menschen hängten die bolivianische Flagge an ihre Häuser und auf der Plaza fanden landesweit Feierlichkeiten statt. Auch Trinidad erstrahlte an diesem Tag in Rot-Gelb-Grün.

Am Abend des 5. August versammelten sich viele Menschen auf einem kleinen Platz, wo eine große Bühne aufgebaut war. Dort traten Musikgruppen auf, unter anderem auch eine Live-Band, und es wurden traditionelle Tänze aus verschiedenen Departamentos aufgeführt – jede Tanzgruppe in ihren eigenen, farbenfrohen Trachten. Der krönende Abschluss war ein beeindruckendes Feuerwerk um Mitternacht, das den Himmel über Trinidad in bunten Farben erstrahlen ließ und die Bedeutung dieses historischen Moments unterstrich.

Unsere Schule bereitete ebenfalls eine interne Feier vor: mit Liedern, Theaterstücken und Beiträgen zur Geschichte Boliviens. Besonders eindrucksvoll war die große Parade, an der alle Schulen der Stadt teilnahmen – jede in ihrer Uniform, begleitet von Musikgruppen und viel Stolz.

Wenige Tage später wurde der „Día de la Bandera“ gefeiert – der Tag der Flagge. Auch dazu gab es eine schulische Feier bei der die Schüler*innen die traditionellen Tänze der neun verschiedenen Departementos Boliviens aufführten, und während des Unterrichts mehr über die Bedeutung der Farben und Geschichte der Flagge lernten.

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Feierlichkeiten zur 200-jährigen Unabhängigkeit Boliviens - Bewegende Momente voller Stolz und Geschichte

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Der Tag der Flagge - Eine Schulveranstaltung auf der Plaza Principal mit Reden, Hymnen und feierlicher Stimmung

Besuch in Loreto – auf den Spuren des Glaubens

Da die Heilige „Virgen de Loreto“ als Schutzpatronin des Departements Beni verehrt wird – zu dem auch Trinidad gehört – unternahmen wir mit der Schule einen Ausflug in das gleichnamige Dorf Loreto. Es liegt etwa zwei Stunden von Trinidad entfernt, mitten in der Natur. Loreto besitzt eine besondere religiöse Bedeutung, da die Verehrung der „Virgen de Loreto“ dort tief verwurzelt ist.

Jedes Jahr im September reisen deshalb viele Gruppen aus ganz Trinidad – darunter Kirchengemeinden, Schulen und verschiedene Institutionen – nach Loreto, um die Jungfrau von Loreto zu ehren. Vor Ort finden in diesem Zeitraum Messen, Prozessionen und spirituelle Treffen statt.

Um 7 Uhr morgens brachen wir mit der Flota (Reisebus) nach Loreto auf. Dabei beteten wir gemeinsam den Rosenkranz. Unser Tag in Loreto begann mit einem gemeinsamen Frühstück. Anschließend nahmen wir an einer Messe teil, bei der viele Menschen aus der Region zusammenkamen. Danach gab es ein gemeinsames Mittagessen.

Es war ein schöner und bedeutungsvoller Tag, an dem Glaube, Gemeinschaft und Kultur auf besondere Weise zusammenkamen.

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Schulausflug nach Loreto - Messe feiern und gemeinsam beten in Gemeinschaft

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Mit meiner Chefin - Zusammenarbeit, gegenseitiges Lernen und Humor

Deutschland-Feria – kultureller Austausch

Ein besonderes Projekt, das mir sehr am Herzen lag, war die „Deutschland-Feria“, die ich an unserer Schule organisierte. Dafür plante ich gemeinsam mit allen 14 Kursen (Inicial, Primaria und Secundaria) eine Messe, bei der jede Gruppe ein eigenes Thema rund um Deutschland präsentierte. Ziel war es, nach all dem, was ich über Bolivien lernen durfte, den Schüler*innen einen Einblick in Deutschland zu geben und so einen interkulturellen Austausch zu fördern.

Die Themen reichten u.a. von deutschem Essen, über Feiertage und Bräuche, die deutsche Flagge, Vokabeln, Tiere, Bildungssystem bis hin zu touristischen Highlights. Die Schüler*innen gestalteten Plakate, bastelten, kochten und präsentierten ihre Ergebnisse mit großer Begeisterung auf der Feria. 

Es war schön zu sehen, wie interessiert und kreativ sie dabei waren – die Feria war ein voller Erfolg und ein echtes Highlight meines Freiwilligendienstes.

Letzte Momente – ein herzlicher Abschied von Bolivien

Der Abschied von meiner Schule, meiner Gastfamilie, meinen Kolleginnen und Freundinnen fiel mir sehr schwer – aber er war auch voller schöner und wertschätzender Erinnerungen.

Am selben Tag wie die Deutschland-Feria fand meine offizielle Abschiedsfeier an der Schule statt. Es war ein sehr emotionaler Moment für mich. Der Bischof von Beni hielt eine berührende Rede, ebenso wie einige Schülerinnen, die sich für das gemeinsame Jahr bedankten. Als Abschiedsgeschenk erhielt ich ein Tipoy, eine traditionelle Tracht aus dem bolivianischen „Oriente“ (Tiefland).

An dem Wochenende zuvor fand die Abschlussfeier mit dem Lehrer*innenkollegium meiner Schule statt. Wir haben gemeinsam zu Abend gegessen, getanzt und einfach die Zeit miteinander genossen. Ich bekam noch weitere kleine traditionelle Geschenke aus der Region Beni, über die ich mich sehr gefreut habe.

Auch mit der Hermandad Gruppe aus Trinidad, die mich das ganze Jahr über begleitet und unterstützt hat, gab es einen schönen Abschied.

Mit meinen Freunden war ich ebenfalls noch ein letztes Mal gemeinsam unterwegs – in einem kulinarischen Restaurant aßen wir traditionelle Gerichte aus dem Tiefland: Majadito und Queperi. Majadito ist gewürzter Reis mit zerkleinertem Charque  (Trockenfleisch), serviert mit Spiegelei und Kochbanane oder Yuca. Queperi hingegen besteht aus einem gegrillten Stück Rindfleisch, das ebenfalls mit Yuca oder Kochbanane serviert wird.

An meinem letzten Tag in Trinidad hat meine Gastmama noch einmal all meine Lieblingsgerichte gekocht – Arroz con Queso (Reis mit Käse), Almondrote (Püree aus Kochbananen) und weitere typische Beilagen. Die ganze Gastfamilie kam zusammen - eine besonders liebevolle Geste meiner Gastmama. Da ich den Geburtstag meiner kleinen Gastschwester nicht mehr miterleben konnte, haben wir diesen vorgefeiert - natürlich mit Kuchen. Auch von ihnen habe ich Geschenke bekommen, die Beni, dem Ort an dem ich nun 13 Monate gelebt habe, repräsentieren.

Am Abend brachten mich meine Gastmutter, meine kleine Gastschwester, meine Freundinnen und Kolleg*innen aus der Schule gemeinsam zum Bus-Terminal. Es war ein sehr emotionaler Abschied, der mir noch einmal gezeigt hat, wie tief mir die Menschen in Trinidad ans Herz gewachsen sind.

In Santa Cruz angekommen, habe ich zum Abschluss meines Freiwilligendienstes zum ersten Mal Churrasco gegessen - ein typisches und sehr beliebtes Gericht aus dem bolivianischen Tiefland. Am nächsten Tag wurden wir von unseren Koordinator*innen der Hermandad verabschiedet und zum Flughafen gebracht.

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Kulinarischer Abend mit Freunden - Zum Abschied Queperi und Majadito - Zwei traditionelle Gerichte aus Beni

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Mein letzter Tag mit der Gastfamilie mit gemeinsamen Mittagessen und Nachtisch

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Abschied von der Hermandad in Trinidad - Dnakbar für eine wundervolle gemeinsame Zeit

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Abschied am Terminal - Voller Tränen verabschiede ich mich - Ein Kaptiel geht zu Ende

Danke für ein unvergessliches Jahr

Mein Freiwilligendienst in Bolivien liegt mittlerweile hinter mir – ein Jahr voller intensiver Erfahrungen, bewegender Begegnungen, kulturellen Austausch und persönlicher Entwicklung. Ich hatte die Chance, in eine neue Kultur einzutauchen, ein neues Land kennenlernen und den Alltag mit den Menschen vor Ort zu teilen, mitzuarbeiten, zu lernen und Teil einer Gemeinschaft zu sein. Dieses Jahr hat mich herausgefordert, verändert und wachsen lassen – es war nicht immer leicht, aber in vieler Hinsicht bereichernd und unvergesslich.

Besonders dankbar bin ich all den Menschen, die mich auf diesem Weg begleitet und unterstützt haben. Vielen Dank an alle, die mich mit Spenden unterstütz haben. Danke auch an alle, die meine Rundbriefe gelesen, Anteil genommen und mir aus der Ferne Rückhalt gegeben haben. Eure Nachrichten, Reaktionen und euer Interesse haben mir viel bedeutet. Ein großes Dankeschön geht an meine Familie und Freundinnen, die mich vor, während und nach dem Jahr unterstützt haben – mit offenen Ohren, Geduld und Ermutigung. Und natürlich danke ich von ganzen Herzen meiner Gastfamilie, meinen Kolleg*innen, meinen Freund*innen und allen Menschen vor Ort in Bolivien, die mich herzlich aufgenommen und mir Einblicke in ihr Leben gegeben haben. Auch SoFiA und der Hermandad in Bolivien danke ich sehr für die zuverlässige Unterstützung und die wertvolle Vorbereitung und Begleitung während meines Freiwilligendienstes.

Ich blicke mit großer Dankbarkeit auf dieses Jahr zurück – auf all das, was ich lernen durfte, auf die Menschen, die ich kennenlernen durfte, und auf die Erfahrungen, die mich für immer begleiten werden.

¡Mil gracias y hasta luego Bolivia!