Bolivien: 2. Rundbrief von Kaja Dittmann
Bolivien
Kaja Dittmann
09.06.2025
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Ein erneutes „Hola“ aus Cochabamba! Es ist so weit und ich lasse wieder von mir hören, denn ich habe wieder mal so einiges erlebt. Lehnt euch zurück und lest von meinen Erlebnissen.

Es ist Mitte Dezember, ich habe mich mittlerweile gut in meinem Arbeitsalltag eingelebt und wir bereiten in der Fundación (meiner Arbeitsstelle) Weihnachtsgeschenke für die Kinder vor. Ich besuche meinen letzten Pfadfinderstamm und bald muss ich eine Entscheidung treffen, in welchen Stamm ich eintreten möchte. Ein paar Tage später kommt eine Freiwillige Johanna zu Besuch und wir genießen Cochabamba in der Weihnachtszeit mit der buntesten Straßenbeleuchtung, die wir je gesehen haben. Denn es hangen nicht nur weiß beleuchtete Sterne über den Straßen (wie ich es aus Deutschland kannte), sondern auch viele Grinch(s), Weihnachtsmänner etc. und auch jegliche Bäume in den Parks und an den Straßen waren umwickelt von bunten Lichterketten. Auch ein Besuch oben beim Christo durfte nicht fehlen.

Allerdings hatten wir dann keine Zeit mehr in Cochabamba und es hieß Sachen packen, denn wir fuhren für ein Wochenende nach La Paz, um von dort aus dann nach Covendo zu fahren, denn dort hatte die Hermandad ein Treffen organisiert.

Das Wochenende in La Paz verbrachten wir Freiwilligen alle gemeinsam in einem Haus, denn aufgrund von Wahlen (nicht die Präsidentschaftswahlen, sondern Wahlen der Judikative) wurde der Verkehr eingestellt. An dem Wochenende backten wir Plätzchen und kochten gemeinsam. Vor allem das Plätzchen backen fand ich richtig schön, da man das hier in Bolivien in der Weihnachtszeit nicht macht. Auch die Tradition eines Adventskranzes oder Adventskalenders gibt es hier leider nicht und ich muss sagen, dass ich das schon vermisst habe. Andererseits habe ich hier Weihnachten im Sommer verbracht, sodass ich mich hier von Anfang an auf ein anderes Weihnachten als sonst eingestellt habe.

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Weihnachtsbaum schmücken mit den Kindern von der Fundación.

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Lichtershow beim Christo

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Bunte Straßenbeleuchtung

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Ausblick aus der Unterkunft auf Covendo

Jetzt aber zurück zum Hermandad Treffen, das ich mit den anderen deutschen Freiwilligen und einer Hermandad Gruppe aus Reyes verbracht habe. So fuhren wir montags 8 Stunden lang vom kühlen, braunen La Paz ins heiße, tropische Covendo, ein kleines Dorf mit etwa 150 Einwohner:innen. Wie schnell sich die Vegetation im gleichen Departemento verändern kann, finde ich immer wieder sehr faszinierend. Als wir ankamen, waren die anderen Mitglieder der Gruppe aus Reyes schon da und zu dem Zeitpunkt war der Strom ausgefallen, sodass wir überall Kerzen aufstellten und unsere Handys mit Powerbanks aufluden. Die vielen Kerzen erzeugten eine magische Stimmung. In der Woche startete jeder Tag mit einem Gottesdienst und danach gab es jeden Tag anderes Programm.

Am ersten Tag gingen wir in Kleingruppen durch das Dorf und sprachen mit den Einheimischen über die Bibel und das Leben vor Ort, was sehr spannend war, denn die meisten Menschen leben dort von der Landwirtschaft. Am zweiten Tag arbeiteten wir in Kleingruppen auf einer Bananenplantage, Kakaoplantage oder einem Yucca-Feld. Auf einer Bananenplantage zu arbeiten war ein sehr cooles Erlebnis, allerdings war es extrem heiß, sodass ich gemerkt habe, dass ich selbst dafür körperlich nicht geschaffen bin. Die Einheimischen erklärten uns die Arbeit und jeder Einzelne wurde mit einer Machete ausgestattet. Damit sollten wir dann mit einer von rechts nach links schwankenden Bewegung das Unkraut zwischen den Palmen entfernen. Am dritten und letzten Programmtag machten wir einen Ausflug zu einem Fluss, in dem wir geschwommen sind und dort auch Essen bekommen haben. Die Abende verbrachten wir immer gemeinsam und hatten sehr viel Spaß. Und dann stand auch schon Weihnachten vor der Tür.

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Arbeit auf der Bananenplantage

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Im Fluss schwimmen nähe Covendo

Deckel-Sammelaktion

Über einen bestimmten Zeitraum haben wir Pfadfinder gemeinsam Deckel gesammelt, wobei der Erlös am Ende für eine Kinderonkologie gespendet wurde. Ende Dezember brachten alle ihre Deckel ins Distrikt, um in einem nahe gelegenen Park die Deckel der einzelnen Stämme zu wiegen, um Gewinner mit den meist gesammelten Deckeln zu bestimmen. Danach sortierten wir die vielen Deckel nach Farben um einen Weihnachtsbaum auf dem Boden zu legen.

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Weihnachten

Nachdem ich mittags mit meiner Familie telefoniert habe, um ihnen Frohe Weihnachten zu wünschen, traf ich mich danach mit meiner Gastschwester Carmen, da sie mich eingeladen hatte, mit ihrer Familie Weihnachten zu verbringen. So bereiteten wir das Essen vor, was allerdings nur süß war. Denn es gab Minidonuts, Marshmallows und heiße Schokolade. Hier ist es Tradition erst an Heiligabend um Mitternacht mit dem Essen anzufangen und dann mit der Bescherung weiterzumachen. Also geht das Weihnachtsfest bis spät in die Nacht, sodass ich am nächsten Morgen ziemlich müde war. Am nächsten Tag ging es für mich dann zu einem Frühstück, welches meine Pfadfindergruppe Incas organisiert hatte, für die ich mich dann auch letztendlich entschieden hatte. Dabei bauten wir verschiedene Stationen in einer Cancha (überdachter Platz) auf. Viele Leute kamen vorbei und erhielten kostenloses Essen und ein Getränk. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Danach fuhr ich nochmal zu meiner Gastfamilie und wir aßen und schauten gemeinsam Filme. Und damit war Weihnachten dann auch schon vorbei, denn hier in Bolivien gibt es keinen 2. Weihnachtstag.

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Zeltlager & Incas

In den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester ging es dann auf ein Zeltlager der Pfadfinderstamm Incas.

Letztendlich habe ich mich für die Incas entschieden, nachdem ich meine Besuche in 13 verschiedenen Stämmen abgeschlossen hatte, da es viele junge und engagierte Leiter gibt, der Ort der Gruppenstunde für mich fußläufig zu erreichen ist und ich mich insgesamt gut mit den Incas verstehe.

Dort bestand jeder Tag aus unterschiedlichem Programm, was aus vielen unterschiedlichen Stationen bestand. Bei einer Station brachten wir den Kindern bspw. bei wie man Zwiebeln, Möhren und Tomaten schneidet und schält. Bei einer anderen Station sollte man Bogen schießen und wiederum bei einer anderen gab es ein Wettbewerb eine lange Schlange aus Kleidung zu bilden. Insgesamt konnte ich von der Kreativität der Pfadfinder bei Spielideen schon viel Input bekommen. Am letzten Abend habe ich dann noch das Pfadfinderversprechen begleitet, in dem wir Flaggen aufgehangen und ein Feuer gemacht haben. Dabei wurden den Kindern Fragen gestellt und sie mussten das Versprechen aufsagen und haben dann das Pfadfinderhalstuch bekommen. Das gleiche habe ich auch gemacht, um mein Halstuch zu erhalten, allerdings waren dort nur die anderen Leiter:innen dabei und ich war davor ziemlich nervös, aber es hat alles gut geklappt :)

Das Promesa (=Versprechen):

Yo prometo por mi honor,

Hacer cuanto de mi dependa,

Para cumplir mis deberes para

con Dios la Patria y el hogar,

Ayudar al prójimo en toda circunstancia

y cumplir fielmente la ley Scout.

Übersetzung:

Ich verspreche bei meiner Ehre, alles zu tun, was von mir abhängt,

Meine Pflichten zu erfüllen

Gott, Land und Heimat zu erfüllen,

meinem Nächsten in jeder Lage zu helfen und das Pfadfindergesetz treu zu erfüllen.

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Silvester

Zu Silvester kamen mich die anderen Freiwilligen besuchen und wir gingen zusammen in ein Restaurant und haben dort zum Jahreswechsel 12 Trauben gegessen, was Glück bringen soll. Rückblickend war es ein sehr schönes Silvester und wir hatten sehr viel Spaß und feierten bis zum nächsten Morgen.

Hermandad-Treffen in Aiquile

Mitte Januar stand dann für drei Tage ein Treffen der Hermandad in Aiquile an. Da es ein Treffen der „Zona Valles“ war, waren die Hermandad Gruppen aus Aiquile, Sucre, Tarija und Cochabamba dabei. Hermandad Gruppen bestehen aus Personen, die sich vor Ort in der Kirche engagieren. Dort gab es viel Programm. Mein Highlight war der Ausflug außerhalb von Aiquile, wo wir die Frucht Tuna probiert haben, die ich bis dato nicht kannte, und uns Projekte angeschaut haben, die nachhaltig etwas anbauen. Am letzten Abend wurde eine Talentshow veranstaltet, bei der ich zum ersten Mal die typische „Cochala“ Tracht der Cholitas tragen durfte.

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Die Tuna Ernte

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Meine Hermandad-Gruppe und ich

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Die „cochala“ Tracht

Reisen

Kurz nach Aiquile habe ich mich mit ein paar Freiwilligen zusammengetan, um zu reisen, da im Januar in Bolivien Sommerferien sind. Dafür ging es mit einem Bus von Cochabamba für 54 Stunden nach Buenos Aires, Argentinien. Wir hatten vorher viel Respekt vor der Fahrt, allerdings ging die Zeit mit Büchern, Serien und Snacks sehr schnell rum und es fühlte sich nicht wie 54 Stunden an. Nachdem wir drei Tage in Buenos Aires verbracht und einen Eindruck von der Stadt bekommen haben, ging es weiter nach Patagonien, wo wir alle die beeindruckenden Gletscher bestaunen konnten und insgesamt die atemberaubende Natur. Zu guter Letzt ging es weiter nach Ushuaia ans „Fin del mundo“ (= Ende der Welt), wo wir viel gewandert sind und eine Bootstour gemacht haben, wobei wir Pinguine und Seelöwen in ihrer freien Wildbahn sehen konnten. Durch diese Reise ist unsere kleine Gruppe extrem zusammengewachsen und es hat sich angefühlt wie eine zweite Familie. Generell bin ich sehr dankbar für alles, was ich bisher in Südamerika sehen durfte!

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Gletscher in Patagonien

Alltag

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Meine Manada bei einer Aktivität

Im Februar kehrte ich dann wieder in meinen gewohnten Alltag zurück und die Arbeit ging wieder los. Seit diesem Jahr verbringe ich jetzt jeden Samstagnachmittag die Gruppenstunden als Leiterin der Lobatos (Wölflinge= Kinder von 7-10 Jahren) in der „Manada Kipus“ bei den Incas. Manada bedeutet übersetzt „Meute“ oder „Rudel“ und Kipus ist der Name meiner Manada. Ich bin jetzt auch bei der Planung der Gruppenstunden dabei, was mir sehr viel Spaß macht. Hierbei ist es so, dass die Gruppenstunde immer exakt geplant ist und eine Struktur hat. Denn nach dem Anfangsritual, bei dem wir die Fahnen des gesamten Stamms der Incas hissen, teilen sich alle in ihre kleinen Gruppen auf. Mit den Lobatos starten wir immer mit einem Lied, dann einem Spiel und dann der eigentlichen Aktivität.

Ansonsten habe ich mittlerweile in der Woche abends einige Reúnionen oder auch Módulos, welches eine Art Lehrgang sind. Themen der letzten Módulos waren z. B. sexuelle Prävention im Kinder- und Jugendbereich, die rechtliche Verantwortung eines Pfadfinderleiters oder die Zusammenarbeit in der Gruppe.

Bei meinem anderen Projekt in der Fundación Bolivia Digna, gehe ich überwiegend zu Takholoma in die Kindergruppe und dort gebe ich bspw. jeden Donnerstag Englischunterricht, in dem die Kinder die Farben, Tiere und Begrüßungen lernen. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit dienstags und donnerstags ins Kinderkrankenhaus auf die allgemeine Kinderstation, die Onkologie oder auf eine Station, wo Kinder Verbrennungen haben, zu gehen. Dort ist unsere Aufgabe die Kinder mit Spielen/Spielsachen etwas abzulenken. Ich gehe seit diesem Jahr jeden Dienstag ins Krankenhaus, und es gefällt mir in dem Sinne, dass sich die Kinder jedes Mal freuen, wenn wir kommen.

Außerdem gehe ich jeden Mittwochmorgen ins „Casa de la amistad“ und unterstütze die Kinder dort bei ihren Hausaufgaben. Somit ist meine Arbeit in den Projekten sehr abwechslungsreich und mir wird alles andere als langweilig.

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In der sala bei meiner Arbeitsstelle Tackoloma

Zwischenseminar

Mitte Februar war es so weit und das Zwischenseminar stand auf dem Programm. Dazu trafen wir uns für 5 Tage in einem Seminarhaus, was sich wie eine Ruheoase angefühlt hat, etwas außerhalb von Cochabamba. Von daher hatte ich im Gegensatz zu den anderen Freiwilligen die kürzeste Anreise. Beim Zwischenseminar haben wir uns untereinander viel ausgetauscht, reflektiert, über unsere Privilegien und über die kommende Zeit gesprochen. Dabei hatten wir auch zwei Workshops von Bolivianer:innen, bei dem wir auch über Bolivien selbst viel gelernt haben. Auch wenn die Tage mit Programm vollgepackt waren, fuhren wir einen Abend in die Stadt, um einmal aus dem Seminarkontext herauszukommen und haben typisch „cochabambinisch“ gegessen. Denn Cochabamba ist in Bolivien auch als Stadt der Gastronomie bekannt und das kann ich nur bestätigen. (Dazu später mehr) Beim Zwischenseminar ist die Zeit verflogen und dann ging es für uns alle auch schon zurück.

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Unsere Freiwilligen-Gruppe beim Zwischenseminar :)

Traditionelles Essen in Cochabamba

Kulinarisch ist man in Cochabamba tatsächlich sehr gut aufgehoben, denn es gibt eine große Auswahl und an fast jeder Ecke hat man die Möglichkeit, etwas zu Essen zu bekommen, bzw. muss man nicht lange suchen. Auf den Bilder seht ihr einen kleinen Einblick in die Gastronomie Cochabambas. Mein Lieblingsort zum günstigen Essen ist der „Correo“. Dies ist die Kreuzung der beiden Hauptstraßen und dort gibt es jeden Abend viele verschiedene Essensstände zu einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis.

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Der Correo

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Anticucho (= Kuhherz) mit Erdnusssoße

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Pique Macho

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sopa de manie = Erdnusssuppe, mein Lieblingsessen

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Silpancho

Karneval

Auch der Karneval wird hier groß gefeiert und das nicht mit Kostümen und Süßigkeiten so wie in Deutschland, sondern hier ist es üblich, dass man Wasserschlachten macht und sich mit Schaum bespritzt. Daher war ich des Öfteren mal nass und voller Schaum. Für den Karneval ging es für mich und die anderen Freiwilligen nach Oruro. Wenn man zu diesem Zeitpunkt in Bolivien ist, darf man das auf keinen Fall verpassen, denn Oruro ist der zweitgrößte Karneval nach Rio de Janeiro in Südamerika und Teil des UNESCO Weltkulturerbes. Außerdem war dieses Jahr auch noch 200-jähriges Jubiläum des Karnevals in Oruro und ich habe ich es in vollen Zügen genossen. Der Karneval geht quasi den ganzen Tag lang bis ins frühe Morgengrauen und wenn die letzte Gruppe durch die Straßen gegangen ist, folgt die erste Gruppe des nächsten Tages.

Eine Woche später gab es dann den „Corso“ (Karneval) in Cochabamba, den ich mit meinen bolivianischen Freunden genossen habe.

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Eine von vielen Tanzgruppen in Oruro

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Mit meinen Freunden beim Karneval in Cochabamba

So und das war‘s dann jetzt auch wieder von mir und meinen bisherigen Erlebnissen und Eindrücken aus Bolivien! Wenn Fragen aufkommen sollten, gerne bei mir auf Instagram @kaja.bolivia melden.

Eure Kaja :)