Bolivien 4
Bolivien
Katharina Predikant
01.11.2025
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Liebe Leserinnen und Leser, mein Jahr in Bolivien ist nun schon vorbei. Es war ein Jahr voller schöner Erfahrungen und Erlebnissen, mit tollen Menschen an meiner Seite und der Möglichkeit, mich und ein neues Land besser kennenzulernen. Es war natürlich nicht immer einfach, manchmal hatte ich auch meine Schwierigkeiten, aber alles in allem war es ein wundervolles Jahr und jede Sekunde wert. Um dem Ganzen einen würdigen Abschluss zu geben, will ich noch einen letzten Rundbrief schreiben und euch von meinen vergangenen Monaten - zumindest in Kürze - erzählen. Ich habe in meiner Zeit in Bolivien ganz oft gedacht „jetzt bin ich angekommen“. Die Wahrheit? Ich bin jedes Mal ein bisschen mehr angekommen. Erst habe ich mich an die Straßen gewöhnt, dann meine Lieblingsorte entdeckt, dann habe ich richtig gute Freunde gefunden, bin immer mehr Teil der Gemeinde geworden, habe immer mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbracht und irgendwann war Patacamaya dann wirklich mein zweites Zuhause. Ich bin total froh, das so sagen zu können. Das nach und nach zu merken, war ein wunderschönes Gefühl.

Im Comendor

Die letzten paar Monate im Comedor, auf meiner Arbeit, waren besonders schön. Mittlerweile haben sich die Kinder schon richtig an mich gewöhnt und haben sich immer mehr getraut, mit mir zu reden und mich zu fragen, ob ich mit ihnen spielen will. Da mein Spanisch auch immer besser geworden ist, war das auch für mich leichter und sehr schön, die Entwicklung zu sehen. Wir haben viel „Dobble“ gespielt (das Lieblingsspiel der Kinder), wieder mehr die Schaukeln draußen vor dem Haus benutzt, gemeinsam gegessen und viel über alles Mögliche geredet, was den Kindern gerade am Herzen lag. Ein besonderes Projekt war das Hickelkästchen-Spiel, was ich gemeinsam mit meinem neuen Chef (mein Projekt wurde von der Gemeinde in die Hand der Caritas übergeben) für die Kinder vor den Eingang des Speisesaals gemalt habe. Dieses wurde grade am Anfang auch eifrig genutzt.

In der Küche haben wir in den Monaten nach den Weihnachtsferien außerdem auch viel Empanadas und Brot gebacken und mittlerweile habe ich endlich den Dreh raus, wie man Empanadas richtig formt. Ein weiterer kleiner Vorteil an dem Ganzen war natürlich, dass frisch gebackene Empanadas am leckersten sind ;)

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Auch die Arbeit in der Küche ist durch mein verbessertes Spanisch noch schöner geworden. Während unserer Arbeit wird immer ganz viel geredet und jetzt konnte ich mehr verstehen, mich mehr an den Gesprächen beteiligen und dabei ganz viel neues über Patacamaya, Bolivien, die Rezepte, die Arbeit im Comedor und vieles mehr lernen.

Ein Thema, für das ich durch meine besseren Sprachkenntnisse ein tieferes Verstäändnis entwickelt habe, ist die wirtschaftliche Lage in Bolivien. Bolivien hatte schon etwas länger Probleme mit fehlendem Benzin und Gas, zeitgleich stiegen auch die Lebensmittelpreise stark an. Da wir im Comedor große Mengen an Lebensmitteln kaufen müssen, wurde der Anstieg der Lebensmittelpreise dort stark thematisiert. Aber nicht nur im Comedor, auch Freunde und Familie habe ich immer wieder über die steigenden Lebensmittelpreise und fehlendes Öl reden hören. Auch den Benzin- und Gasmangel habe ich mehr zu spüren bekommen. Die Schlangen an den Tankstellen waren auch davor schon sehr sehr lang. Die Leute mussten viele Stunden warten und teilweise auch in ihren Autos übernachten, um vielleicht am nächsten Tag Benzin zu bekommen. Dann habe ich das erste Mal von demselben Problem mit Gas zum Kochen gehört und musste für mein Projekt mehrere Stunden in der Schlange stehen und hoffen, dass sie mir Gasflaschen verkaufen. Der Wert des Bolivianos ist immer weiter abgefallen, Dollar zu kaufen wurde teurer… Am Ende meines Jahres in Bolivien hat sich die Lage nach meinem Gefühl etwas entspannt. Der Dollar wurde zum Beispiel wieder günstiger, aber die Schlangen vor den Tankstellen sind immer noch da.

Im Juli und August waren dann die Wahlen, die im August stattfinden, das bestimmende Thema worüber sehr viel geredet wurde.

Hier wurde die Küche des Comedors mal wieder zur Backstube. Selbstgemachte Empanadas

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Zwar noch nicht ganz fertig aber das neue Spiel wird schon eifrig genutzt.

Kirche und Gemeinde

Grade in den letzten Monaten ist in unserer Gemeinde wieder viel passiert.

Eine besondere Zeit war für mich zum Beispiel während der Ostertage. Auf der einen Seite war es ganz vertraut, da ja vieles sehr ähnlich wie in Deutschland ist, auf der anderen Seite ganz neu. Ich habe in diesen Tagen viel Zeit in der Kirche verbracht und durfte am Palmsonntag sogar eine Lesung lesen. Besonders war aber vor allem der Karfreitag. Am Nachmittag davor hat der Abschlussjahrgang einer der Schulen in Patacamaya die Passion nachgespielt und ist mit der ganzen Schule von Station zu Station durch Patacamaya gelaufen. Am Karfreitag selbst sind wir von der Kirche am Hauptplatz mit einem großen Kreuz bis zu unserer Kirche gelaufen und haben auf dem Weg gebetet. Abwechselnd wurde das Kreuz von den Leuten getragen und das Ganze war für mich eine ganz besondere Erfahrung.

Generell gab es einige schöne Tage in unserer Gemeinde. Anfang Mai gab es einen Gottesdienst für die Infancia Misionera (bei der ich auch mithalf), in dem die Kinder und ich unsere Pañoletas überreicht bekommen haben und einen Segen bekommen haben und Ende Juni wurden unsere neuen Messdiener feierlich eingeweiht.

Darüber hinaus hatten wir auch ein Treffen der Jugendpastorale unseres Bistums in Patacamaya und ein Treffen der Hermandad in Potosí mit Menschen aus ganz Bolivien. Bei beiden Treffen konnte ich wieder viele tolle neue Menschen und Bekannte treffen, konnte viel lernen und wir hatten eine wundervolle Zeit. Was dabei natürlich auch nicht fehlen durfte, sind die traditionellen Tänze, die jede Gruppe aus ihrer Region aufführen musste.

Ein ganz besonderes Ereignis war auch die Pilgerfahrt Anfang August in Santa Cruz, wo wir mit einer riesigen Gruppe von Santa Cruz bis nach Covendo gelaufen sind, um dort durch eine der Kirchentüren zu gehen, die als Repräsentation der heiligen Pforten in Rom im heiligen Jahr geöffnet wurden.

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Wenn ich gerade dabei bin von besonderen Tagen zu erzählen, will ich auch noch kurz von zwei weiteren Tagen erzählen.

Ein ganz wichtiger Tag war der 6. August, Boliviens Nationalfeiertag. An diesem Tag und auch schon an den Tagen davor gab es viele desfiles, also Umzüge mit Marschbands. Dort wurden die Flaggen von Bolivien und den einzelnen Departamentos und auch die traditionelle Kleidung der einzelnen Depatamentos getragen. Solche Umzüge gab es von den Schulen, wo die einzelnen Kurse mitgelaufen sind und von der ganzen Stadt, wo die verschiedenen Bezirke, Arbeitsverbände und Schulen mitgelaufen sind. In den größeren Städten gab es außerdem noch große Feiern, Konzerte und Festakte.

Kurz davor gab es außerdem auch einen Wettkampf der Schulen, in dem jede Schule einen traditionellen Tanz vorbereitet hatte und zum Ende die besten Vorführungen von Primaria (1.-6. Klasse) und Secundaria (7.-12. Klasse) geehrt wurden.

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Familie und Freunde

Das schönste in diesem Zeitraum war aber eigentlich die Zeit, die ich mit meinen Freunden und meiner Familie in Patacamaya verbringen konnte.

Wie ich am Anfang dieses Rundbriefes schon gesagt habe, ist Patacamaya wirklich zu meinem zweiten Zuhause geworden und das vor allem dank der vielen tollen Menschen, die ich dort kennenlernen durfte, dank denen ich mich auch die ganze Zeit so wohl gefühlt habe.

Es gab so viele schöne Momente, die wir zusammen erleben konnten. Gemeinsame Spieleabende, Plätzchen backen, Billiard spielen, zusammen Feiern besuchen und Geburtstage feiern (unter anderem auch meinen Geburtstag), Mittagessen mit meiner Gastfamilie an Sonntagen, Treffen mit Freunden und auch größere Ausflüge.

Beispielsweise wurde ich zu meinem ersten Konzert in La Paz eingeladen, bin auf Fußballspiele und den „Gran Poder“ in La Paz gegangen (Eine riesige Entrada in La Paz, ein bisschen so wie am Karneval de Oruro (→ letzter Rundbrief), wo viele Gruppen die traditionellen Tänze getanzt haben und so durch die Straßen gezogen sind) und bin mit meinem Gastvater und meinen zwei besten Freunden nach Luribay gefahren.

Außerdem bin ich von einer Freundin aus dem Comedor auf meine erste Quinceañera (der 15. Geburtstag der Mädchen wird in Bolivien sehr groß gefeiert) und ihren „toma de nombre“ (eine Feier des Abschlussjahrganges zum Beginn des letzten Schuljahres) eingeladen worden und wurde von meiner besten Freundin auf eine Hochzeit mitgenommen.

Wie ihr sehen könnt konnte ich auch in meinen letzten Monaten noch einmal viel sehen und lernen und eine tolle Zeit mit meinen Freunden verbringen. Dementsprechend ist mir der Abschied auch umso schwerer gefallen.

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Mir sind die Menschen vor Ort so ans Herz gewachsen und ich konnte so viele schöne Erinnerungen sammeln, eigentlich wollte ich gar nicht gehen. Bolivien ist ein wunderschönes Land, was sich einen Platz in meinem Herzen gesichert hat. Beeindruckende Natur, reich an Kultur, viele tolle Tänze, leckeres Essen, schöne Traditionen und am wichtigsten: viele nette und herzliche Menschen. Natürlich ist auch dort nicht alles perfekt, das will ich auch dazu sagen, da ich in meinem Rundbrief kein unrealistisches Bild von einem Land oder meinem Freiwilligendienst zeichnen will.

Ich hatte aber überwiegend eine wundervolle Zeit und bin sehr dankbar, dass ich Bolivien auf eine Art kennenlernen durfte, wie ich es in einem Urlaub nie gekonnt hätte und es jetzt mein zweites Zuhause nennen darf. Ich bin dankbar so viele wunderbare Menschen kennengelernt zu haben.

Deshalb will ich zum Schluss noch einmal Danke sagen.

Danke an die Menschen, die es mir ermöglicht haben, diesen Freiwilligendienst zu machen.

Danke an die Menschen, die mich während meiner Zeit in Bolivien unterstützt und begleitet haben.

Danke an alle, die mein Jahr zu dem gemacht haben, was es war.

Vor allem danke an die Kinder und meine Mitarbeiterinnen im Comedor, die Infancia Misionera, meine Freunde, meine Familie, meine Kichengemeinde, die Hermandad, die Schwestern in Patacamaya und an alle anderen. Ich hatte eine unvergessliche Zeit und werde all die schönen Erinnerungen in meinem Herzen tragen.

Danke auch an euch alle, für das Interesse an meinem Freiwilligendienst und für die Unterstützung.

 

Mit diesen Worten muss ich mich auch schon verabschieden. Da mein Freiwilligendienst jetzt leider schon vorbei ist wird kein weiterer Rundbrief von mir kommen, aber bei Interesse gibt es noch viele weitere interessante Rundbriefe von anderen Freiwilligen aus Bolivien und auch anderen Ländern.

 

Liebe Grüße (jetzt schon aus Deutschland) Katharina