Bolivien: 3. Rundbrief von Katharina Predikant
Bolivien
Katharina Predikant
01.10.2025
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Liebe Leserinnen und Leser, seit meinem letzten Rundbrief ist schon wieder viel Zeit vergangen und es ist einiges passiert, wovon ich hier gerne erzählen will.

Advent

Ende Dezember habe ich Besuch von meiner Familie aus Deutschland bekommen und mein erstes Weihnachten in Bolivien gefeiert.

So ganz in Weihnachts- und Adventsstimmung bin ich aber zunächst nicht gekommen, was vielleicht daran liegen könnte, dass zu dem Zeitpunkt hier grade Sommer war. Statt kurzen Tagen, kahlen Bäumen, kalten Temperaturen, Weihnachtsplätzchen und Lichtern in den Fenstern gab es hier strahlenden Sonnenschein, blauen Himmel und angenehm warmes Wetter. Hinzu kam, dass wir mit den Freiwilligen im Dezember ein Treffen in Covendo hatten.

 

Covendo ist ein kleiner Ort in den Yungas im Norden des Depatamentos La Paz, etwa 8 Stunden Autofahrt von der Stadt La Paz entfernt. Das Klima dort ist tropisch und alles war wunderbar grün (eine große Abwechslung zu dem, was ich aus Patacamaya gewohnt bin). Für mich ist es immer wieder beeindruckend wie vielfältig das Departamento La Paz, in dem ich lebe ist und wie schnell sich die Vegetation auf so einer Fahrt doch verändern kann.

Die Woche in Covendo haben wir mit den anderen deutschen Freiwilligen und Jugendlichen der Hermandadgruppe aus Reyes verbracht. In Kleingruppen haben wir am ersten Tag Familien aus dem Dorf besucht und mit ihnen über die Bibel und das Leben und die Arbeit vor Ort geredet. Die meisten Menschen dort leben von der Landwirtschaft. Deshalb hatten wir an einem anderen Tag auch die Möglichkeit auf einer Bananenplantage, Kakaoplantage oder einem Yucca-Feld mitzuarbeiten. Ich war mit meiner Gruppe auf einer Bananenplantage und nach einer kurzen Einleitung war es unsere Aufgabe die Palmen mit Macheten von Unkraut und vertrockneten Blättern zu befreien. Was ich dabei auf jeden Fall gelernt habe, ist, wie unglaublich anstrengend die Arbeit auf so einer Plantage ist, vor allem wegen der extremen Hitze und den ganzen kleinen Stechmücken.

An einem Nachmittag sind wir außerdem auch alle zusammen in einem nahegelegenen Fluss schwimmen gegangen und abends haben wir noch zusammengesessen und den Tag mit Gesprächen ausklingen lassen. Am letzten Tag gab es auch noch ein Lagerfeuer und wir haben viel getanzt.    

den Fluss in Covendo.

Es war eine wirklich schöne und interessante Zeit, aber zu mehr Weihnachtsstimmung hat es leider nicht wirklich beigetragen. Um dann trotzdem ein bisschen das Adventsgefühl zu bekommen und den Kindern im Comedor Traditionen aus Deutschland zu zeigen, habe ich mit ein paar der Kindern Plätzchen gebacken und Adventslieder gehört. Das Ganze war am Ende zwar deutlich stressiger als erwartet, aber hat trotzdem viel Spaß gemacht und war definitiv etwas Besonderes. Und die Plätzchen sind zum Glück auch etwas geworden und haben allen geschmeckt :)

Hier in Bolivien ist es nämlich nicht üblich Plätzchen vor Weihnachten zu backen. Dafür spielt Tanzen in der Adventszeit eine große Rolle. Ganz oft wurde ein Tanz getanzt, der ganz besonders für die Adventszeit ist und auch nur in diesem Zeitraum getanzt wird. Sei es am letzten Tag im Comedor, bei der Infancia Misionera (der Gruppenstunde meiner Gemeinde, bei der ich samstags helfe) oder auch bei der Kinder-Adventsfeier in einem Nachbardorf, zu der ich mit den Schwestern gefahren bin, immer wurde dieser Tanz getanzt.

Außerdem gab es in Patacamaya etwa eine Woche vor Weihnachten die "Desfile Navideño", einen Umzug, wo sich alle Gruppen weihnachtlich verkleidet haben, zum Beispiel als Elfen, Schneemänner oder Grinchs und getanzt haben. Die "Desfile Navideño" gab es auch in La Paz nur vieeel größer. Nach oder während den Adventsveranstaltungen wurden außerdem auch immer Kakao und Panettone verteilt.

Und natürlich durfte auch der Weihnachtsmarkt in La Paz auf meiner Liste nicht fehlen. Anders als in Deutschland gibt es zwar keinen Glühwein und Weihnachtsbeleuchtung, dafür aber viele kleine Stände mit Weihnachtsdekoration und Kleinigkeiten und ich habe dort all meine Weihnachtsgeschenke bekommen ;)                                              

"Desfile Navideño" in La Paz.

Plätzchen backen im Comedor.

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Weihnachten

Weihnachten selbst war dann auch ein wirklich schönes Fest. Ende Dezember habe ich Besuch von meiner Familie aus Deutschland bekommen und gemeinsam mit meiner deutschen und meiner bolivianischen Familie haben wir Weihnachten gefeiert.
Abends haben wir den Gottesdienst besucht, in dem ein Chor von Kindern mit viel Inbrunst Weihnachtslieder gesungen hat und als das Kind in die Krippe gelegt wurde, wurde dabei von ein paar Kindern vor der Krippe getanzt, was sehr schön war. Mir fiel auf, dass es nicht so besinnlich war, wie ich es aus meiner Gemeinde in Deutschland gewohnt bin. Es war energetischer, ein bisschen fröhlicher und hat sich so für mich ein bisschen mehr wie eine Geburtstagsfeier für Jesus angefühlt.

Bei der Gelegenheit konnte ich meiner Familie auch gleich ein paar Freunde und Bekannte aus der Gemeinde vorstellen. Danach sind wir zu meiner Gastoma nach Hause gegangen und haben dort gemeinsam gegessen und erzählt. Um Mitternacht wurde dann vor dem Weihnachtsbaum auf das Jesuskind angestoßen, mein Gastvater hat eine kleine Rede gehalten und wir haben Geschenke ausgetauscht.

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Reisen mit Familie

Die Tage danach konnte ich meiner Familie zunächst Patacamaya und dann auch noch andere Teile von Bolivien zeigen. Es war sehr schön für mich, dass meine Familie, meine bolivianischen Freunde, Gastfamilie und die Menschen aus der Gemeinde in Patacamaya einander kennenlernen konnten. Es machte mir auch Spaß, meiner Familie zu zeigen, wo und wie ich hier lebe.

Auf der Reise im Anschluss habe ich mal wieder gemerkt, was für ein schönes und vielfältiges Land Bolivien ist und wie viel es zu bieten hat. Ganz verschiedene Regionen mit verschiedener Vegetation, unterschiedlichem Klima, schönen Städten und beeindruckender Natur, leckerem Essen, netten Menschen und vielen Kulturen. Falls ihr irgendwann mal nach Südamerika kommen solltet, kann ich euch nur empfehlen, Bolivien nicht auszulassen auch wenn oder grade weil es eines der weniger bekannten Länder in Südamerika ist.
Auf unserer Reise haben wir zunächst Sucre, die Hauptstadt Boliviens besucht, welche ein wunderschönes, ruhiges kleines Stadtzentrum hat und haben danach meine Freundin und ehemalige Mitfreiwillige Iveliz in ihrer Stadt Cochabamba besucht. Dort hat sie uns eine kleine Stadtführung gegeben und uns ihre Lieblingsorte gezeigt, wobei auch die Jesusstatue (welche größer als die in Rio de Janeiro ist) nicht fehlen durfte. Außerdem haben wir in der „Hauptstadt des Essens“ das beste Pique macho gegessen, was ich bis jetzt probiert habe.

Pique macho ist ein typisches herzhaftes Gericht aus Cochabamaba, welches aus kleinen Rindfleischstückchen, klein geschnittenen Würstchen, gekochten Eiern, Tomaten, Zwiebeln, Kartoffeln und Locotos besteht und mit einer Soße, Ketchup und Mayonnaise gegessen wird. Sehr lecker !!

Nach dem Besuch in Cochabamba sind wir weiter nach Uyuni gefahren. Dort haben wir eine drei tägige Tour in die Salar de Uyuni und Umgebung gemacht und konnten dabei wir die wirklich beeindruckende Natur bewundern. Danach ging es weiter an die Copacabana, wo ich das erste Mal die Isla de Sol und die Isla de Luna besucht habe. Von Copacabana habe ich in meinem letzten Rundbrief schon ein bisschen erzählt. Auf unserer Reise habe ich nun wieder viel Neues gelernt.

Der Titicacasee hatte und hat bis heute eine große religiöse Bedeutung, er gilt als Geburtsort der Inkakultur und ist für die hier lebenden Menschen heilig. Nach einem Schöpfungsmythos der Inka entstieg einst der Urgott der Anden „Wiracocha“ dem See und es machten sich die Kinder des Inka-Sonnengotts Inti, Manco Cápac und Mama Ocllo, von der Isla del Sol auf den Weg nach Norde, um die Inkahauptstadt Cusco zu gründen. Eine weitere Legende besagt, dass der Urgott Wiracocha einst von der Isla de la Luna aus dem Mond befohlen haben soll, sich aus dem See in den Himmel zu erheben. Aber auch schon vor der Inkakultur galt dieser Ort als heilig. Beispielsweise befinden sich auf der Isla del Sol und Isla de la Luna Heiligtümer der Tiwanaku Kultur. Später nach der spanischen Eroberung wurde versucht die Traditionen durch das Christentum zu verdrängen und indigene Mythen mischten sich mit katholischen Heiligenlegenden.

Unsere Reise haben wir dann in La Paz, dem Regierungssitz Boliviens abgeschlossen.

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Auf dem Aussichtspunkt in der Hauptstadt Sucre.

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Karte der Isla de Sol.

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Mit meiner Familie in Copacabana.

Reisen mit Freunden

Da ich im Januar noch Ferien hatte habe ich mich, nachdem meine Familie wieder zurück nach Deutschland geflogen ist mit drei anderen Freiwilligen getroffen und mit ihnen eine Reise nach Argentinien unternommen. Dafür haben wir eine 54-stündige Busfahrt auf uns genommen, die wir davor mit etwas Sorge betrachtet haben. Durch die bequemen Sitze, das ein oder andere (Hör-)Buch, eine Serie, leckere Snacks und viele Gespräche war sie aber erstaunlich angenehm und am Ende glaube ich sogar eines meiner Highlights. Begonnen haben wir unsere Reise in Buenos Aires, wo wir drei Tage lang die Stadt erkunden konnten. Von dort aus Haben wir uns auf den Weg nach Patagonien gemacht. In El Calafate haben wir uns die Gletscher angeschaut, was unglaublich beeindruckend war und uns gleichzeitig den Klimawandel wieder einmal deutlich vor Augen geführt hat. Zum krönenden Abschluss sind wir nach Ushuaia, ans "Ende der Welt" gefahren, wo wir viel gewandert sind und bei einer Bootstour Pinguine und Seelöwen in freier Wildbahn gesehen haben.

Es war eine beeindruckende Reise mit wunderschöner Natur und vielen schönen Erlebnissen - eine tolle Zeit, die mich und die anderen Mädels wirklich noch einmal enger zusammengeschweißt hat.

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Vor dem Perito-Moreno-Gletscher.

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Mit den anderen Freiwilligen auf einem Wanderweg an die chilenisch-argentinische Grenze in Ushuaia.

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Leuchtturm in Ushuaia, am „Ende der Welt“.

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Mit zwei meiner Freundinnen am ersten Tag der Entrada beim Tinkus tanzen in traditioneller Kleidung.

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Der zweite Tag der Entrada, dieses Mal in Jeans und Trikot.

Karneval de Oruro

Ein weiteres besonderes Ereignis war Karneval. Gemeinsam mit den anderen Freiwilligen war ich nämlich auf dem Karneval in Oruro, was spektakulär war. Anders als in Deutschland gab es auf dem Umzug keine politischen Wagen, es wurden keine Süßigkeiten geworfen und die Leute haben sich nicht verkleidet. Stattdessen gab es unzählige Gruppen, die die traditionellen Tänze aus ganz Bolivien getanzt haben und die dazugehörigen Trachten anhatten (die teilweise wirklich sehr sehr schön waren) und so durch die Straßen Oruros gezogen sind. Ich konnte nur staunen. Es war ein bisschen wie die XXL-Version des Umzuges in Patacamaya, wobei das schon fast eine Untertreibung wäre.

Die Entrada ging den ganzen Tag, von früh morgens bis spät in die Nacht hinein und das Gebiet, durch das der Umzug ging, war so groß, dass wir uns ohne Hilfe wohl kaum zurechtgefunden hätten. Es waren unglaublich viele Menschen dort, die sich dieses Ereignis wie wir nicht entgehen lassen wollten und auf den Tribünen zugeschaut haben. Auch die Anzahl an Menschen, die an diesem Tag getanzt hat, war beeindruckend. Nicht nur gab es viele verschiedene Tänze, die getanzt wurden; zu jedem Tanz gab es viele verschiedene Gruppen (Bloques) und auch die Größe der einzelnen Bloques, also die Anzahl der Menschen, die in einer Gruppe mitgetanzt haben, war beeindruckend und ist mit nichts vergleichbar, was ich bisher kannte. Ich habe mal wieder viel gelernt, konnte nur staunen, habe nette Leute kennengelernt und hatte eine tolle Zeit dort.

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Caporales auf dem Carneval de Oruro.

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Tinkus auf dem Karneval de Oruro.

Mit diesen Worten will ich mich auch schon wieder verabschieden.

Ich hatte wieder ein paar wunderschöne und interessante Wochen, in denen ich viel lernen, sehen und erleben durfte. Für diese Zeit bin ich unglaublich dankbar.

 

Ich hoffe, dass euch mein Rundbrief gefallen hat und dass ich euch einen kleinen, aber interessanten Einblick von meinem Leben hier in Patacamaya geben konnte.

 

Bis zu meinem nächsten Rundbrief

Katharina